Heizen mit Eis?

Heizen mit Eis funktioniert genau so gut wie Auto fahren mit Wasser im Tank. Der spektakuläre Aspekt der Solarheizung Solaera ist nur eine Art Blickfang für der Anlage, die letztlich ganz gewöhnliche und bekannte Techniken nutzt, sie aber in einmaliger Weise so verbindet, dass ein Heizungssystem entsteht, mit dem etwa 85% des Wärmebedarfs eines gut gedämmten Einfamilienhauses aus Sonnenenergie gedeckt werden. Die restlichen 15% kommen aus der Steckdose, da die Solaranlage von einer elektrischen Wärmepumpe unterstützt wird.

Wärmepumpe

Wärmepumpen hatten 2010 unter den Heizungen, die in Neubauten installiert wurden, bereits einen Anteil von über 23% und sie werden mit Unterstützung der Stromversorger sehr offensiv vermarktet. Mich erinnert das an die Nachtstromspeicher-Welle der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts – aus heutiger Sicht eindeutig: auf das falsche Pferd gesetzt! Der Haken an der guten Idee, die Wärme für die Heizung aus dem Erdreich oder der Umgebungsluft zu beziehen, obwohl beide kälter sind als die angestrebte Temperatur in den Räumen ist, dass die Effizienz der meisten Wärmepumpen nicht ausreicht, um in der Bilanz einen guten Eindruck zu hinterlassen. Wenn immerhin ein Drittel oder mehr der Eneergiemenge (in Kilowattsunden), die für die Beheizung des Gebäudes benötigt wird, als elektrischer Strom aus der Steckdose gezogen wird, ist das deshalb noch keine ökologisch gute Bilanz, weil zuvor in den Kraftwerken zwei Drittel des im Öl, Gas oder sonstigen Energieträger steckenden Potentials  in die Atmosphäre geblasen wurde. Die Verdreifachung  des Potentials jenes Stroms ergibt also, wenn man die vorgelagerte Kette mit berücksichtigt, einen Wirkungsgrad von drei mal einem Drittel, also 1. Es werden 100% der Treibhausgase emittiert, die entstehen würden, wenn das Wärmepumpen-beheizte Haus direkt mit Öl oder Gas versorgt wäre. Schlecht arbeitende Wärmepumpen bedeuten also ein Nullsummenspiel hinsichtlich der Einsparziele bis 2050!

Bei Wärmepumpen wird  der über ein Jahr berechnete Wirkungsgrad als Jahresarbeitszahl bezeichnet. Es ist der Quotient aus der als Wärme nutzbaren und der dazu eingesetzten elektrischen Energie. Um die Kraftwerksverluste zu kompensieren, muss er bei etwa drei, allermindestens 2,6 liegen. Das ist der Faktor, mit dem derzeit nach Energieeinsparverordnung elektrischer Strom primärenergetisch zu bewerten ist. Eine Untersuchung im Rahmen der lokalen Agenda 21, Lahr, die als Standardwerk zur Beurteilung der Wärmepumpeneffizienz gilt, wertete einen Feldtest aus den Jahren 2006 bis 2008 in der Ortenau aus. Also keine gerechneten Prognosen, sondern wirkliche Betriebs-Ergebnisse. Im Mittel erreichten Erdreichwärmepumpen 3,4, Grundwasserwärmepumpen etwa 3 und Luftwärmepumpen 2,8 als Jahres-Arbeitszahl. Sie pendeln also um den magischen Wert 3 und schneiden um so besser ab, je wärmer das Medium ist, aus dem die Umweltwärme bezogen wird.

Solaera

Ich bin nicht von Consolar gekauft. Aber meine Neugier nach dem ersten Kontakt mit der "Eisheizung" wuchs, als ich von den internet-Seiten des kleinen Lörracher Unternehmens den Eindruck mitnahm, dass es sich nicht um Trittbrettfahrer jenes grün bemalten Zuges handelt, der als interne Zielvorgabe Profitmaximierung hat, sondern um Solarpioniere, die ihre Ärmel hochkrempelten, um die Erreichung der Einsparziele für 2050 möglich zu machen, lange bevor die Regierungen diese Notwendigkeit sahen. Consolar bietet für einen symbolischen Geldbetrag eine eintägige Schulung an, nach der die Teilnehmer die Philosophie des Herstellers,  Ideen hinter der neuen Solarheizung Solaera und ihre Umsetzung verstehen und bewerten können. Also war ich einen Tag lang in Lörrach und konnte hinter die Kulissen schauen. Es wird dort regelrecht produziert. In den Regalen liegen die Absorber und Luftleitbleche, die zum neuartigen "Hybridkollektor" verbaut werden und es stehen leere Kästen in der Halle, in die zugelieferte Wärmepumpen, Eistanks und Regelelektronik montiert werden. Ausgeliefert werden ab Lörrach dann die fertigen Solaera-Pakete und einige andere Produkte für die thermische Solarenergienutzung.

Problemstellung

Der Grund dafür, dass konventionelle Solaranlagen den Punkt des wirtschaftlichen Optimums bereits erreichen, wenn erst 20-30% des Wärmebedarfs eines gut gedämmten Gebäudes gedeckt werden, ist, dass das Angebot der Sonne und der Bedarf an Heizwärme zeitlich schlecht zusammen passen. Bei guter Sonneeinstrahlung erwärmen sich speziell jenen Gebäude, die bereits durch intelligente Architektur "passiv" die Solarenergie nutzen, auch ohne Heizung und im Sommer entsteht sogar die gegenteilige Anforderung – Abfuhr überschüssiger Wärme aus der Sonneneinstrahlung. Daher liegt der zeitliche Abeitsschwerpunkt solar unterstützter Heizungen in der "Übergangszeit" und die sommerliche Tätigkeit reduziert sich auf die Brauchwasser-Erwärmung. Eine Vergrösserung der Solaranlagen, wie sie heute für Heizungsunterstützung ausgelegt werden, wird unter Umständen unwirtschaftlich: es werden immer grössere Überschüsse im Sommer erreicht und der ersehnte Beitrag im Winterhalbjahr steigt nur geringfügig, Daraus enstand das bedürfnis, mit Solaranlagen auch bei schlechteren Aussenbedingungen Wärme zr Gebäudebeheizung beziehen zu können und konkret ein Forschungsauftrag, den Consolar annahm. Im Jahr 2010 wurde daraus Solaera geboren, in 2012 ist die breite Markteinführung vorgesehen. Consolar will dabei aber small and smart bleiben: als Ziel sind 100 installierte Anlagen in 2012 vorgesehen.

Die Technik

Eine konventionelle Solaranlage muss vom Kollektor Wärme bei einer Temperatur beziehen, die über der Nutztemperatur im Speicher – sei es für die Heizung oder die Brauchwasserentnahme – liegt. Deshalb sind Niedertemperatur-Heizsysteme wie Fussbodenheizungen von Vorteil, sie verlangen nur Temperaturen, die wenig über der benötigten Raumtemperatur liegen. Selbst das kann wie im Februar 2012 eine Überforderung für die Kollektoren darstellen, wenn sie mit Aussentemperaturen von -12°C arbeiten müssen. Consolar hat sich die freche Parole "Sonne Tag und Nacht" ausgedacht, um darauf hinzuweisen. dass ihr neuartiger Kollektor aussser der unmittelbaren Sonneneinstrahlung auch die Umgebungstemperatur des Kollektors nutzen kann – unter Einsatz einer Wärmepumpe.

Wie andere Wärmepumpen auch hebt die Kompressions-Kältemaschine das Temperaturniveau der Umgebungsluft derart an, dass die Wärme im Heizungssystem verwertbar wird. Zum Beispiel von 0°C auf 28° C, eine typische Vorlauftemperatur für Flächenheizungen. Um die "Wärme" (wir sprechen noch von 0° warmer Luft...) der Wärmepumpe zuzuführen wird das gleiche System genutzt, das bei guter Sonneneinstrahlung die 60° warme Solarflüssigkeit vom Kollektor zum Speicher pumpt. Die Übergabe der Wärme aus der Luft, die durch den Kollektor strömt, geschieht also an den Absorber des Kollektors von wo sie zur "Energiezentrale" transportiert. So nennt der Hersteller die Einheit, die sowohl die Wärmepumpe als auch den Eisspeicher und vor allem die gesamte Regelung für die Energieströme des Systems enthält.

Eisspeicher

Endlich. Was macht das Eis im System? Wenn aus dem Kollektor keine unmittelbar verwertbare Temperaturen mehr zu holen sind, also zum Beispiel nur noch 10° C, kann damit immerhin Eis aufgetaut werden. Wasser ist ja (wie alles andere auch...) ein PCM. Phase changing material. Es ist eine wesentlich grössere Menge Energie erforderlich, um gefrorenes Wasser von -1 C auf 1° C zu erwärmen, als dann von 1° C auf 3° C oder von 38° C auf 40° C. Die Schmelzwärme erklärt das Geheimnis. Deshalb reicht ein recht kleines Volumen von Wasser, um recht grosse Wärmemengen zu speichern, wenn die Speicherung im Temperaturbereich um den Gefrierpunkt stattfindet. Die 10° warme Luft kann also das -1° warme Wasser erwärmen und auftauen. das wäre nutzlos, wenn nicht die Wärmepumpe in der Lage wäre, aus dem 1° warmen Wasser 32° warmes Wasser (Heizungsrücklauf) auf 38° (Vorlauf, die Temperaturen sind nur beispielhaft) zu erwärmen, indem sie das Wasser im Speicher wieder gefriert. Das ist die Eisheizung. Jede Gefriertruhe ist eine Eisheizung, sie kühlt das Gefriergut ab und erwärmt dabei die Luft in den Wärmetauscherschlangen aussen an der Truhe. Zweck ist dort nicht die Erwärmung, sondern die Kühlung. aber es geschieht ja  wie in der “Eisheizung“ – beides im Zusammenhang und eben unter Einsatz elektrischer Energie.

Die praktischen Ergebnisse

Da Solaera aus einem öffentlich geförderten Forschungsprojekt entstanden ist, wurden am IFT sehr genaue Simulationsberechnungen durchgeführt, die Deckungsbeiträge von etwa 85% des Heizwärmebedarfs und Brauwasser-Wärmebedarfs direkt aus Sonnenstrahlung und Umgebungswärme bzw. nur 15% elektrischen Energiebedarf ausweisen. Betrachtet man die Solaera nun als Wärmepumpenheizung, so lässt sich das auch als Jahresarbeitszahl von 100/15, also über 6, darstellen. In den Jahren 2010 und 2011 wurde Solaera im Feldtest ausgewertet und bestätigte diese Prognosen.

Schattenseite

Sonne Tag und Nacht... Es ist insofern nicht gelogen, als der Kollektor auch Wärme in das System liefern kann, wenn die Sonne schon untergegangen ist – eben als Quellmedium für die Wärmepumpe bzw. den Eisspeicher, mit dem die Wärmepumpe arbeitet. Schattenseiten stellen aber die Restriktionen dar, die für den Einsatz des Systems bisher gelten:

Jahresheizwärmebedarf: maximal 13.000 kWh
Kollektorneigung: mindestens 40°
Heizungsvorlauftemperatur: maximal 40°C

Für die ganz harten Zeiten ist im Pufferspeicher – einem „gewöhnlichen“ Speicher, der Wasser im Temperaturbereich der Heizkreistemperaturen und der Brauchwasser-Nutztemperatur bevorratet, ein Elektroheizstab enthalten. Wenn dieser zu häufig eingesetzt wird, versaut er die Primärenergiebilanz. Daher ist bei 13.000 kWh/a Ende. Das ist verständlich. Eher schmerzhaft für bestehende Gebäude mit funktionierendem Heizkreis (Radiatoren...) ist die Beschränkung der Vorlauftemperatur. Aber für beide Restriktionen gibt es eine Lösung: bivalenter Betrieb. Es wird ausser den Wärmequellen, die Solaera mitbringt, ein bestehender Erdgaskessel oder ein Pelletofen mit Wassertasche, oder, oder oder... also eine weitere Wärmequelle eingebunden. Die sehr flexible Regelung der Anlage kann so eingestellt werden, dass sie jene zusätzliche Wärmequelle anfordert, bevor ein Einsatz des Elektroheizstabs notwendig wird. Dadurch wird der Verbrauch an elektrischer Energie weiter gesenkt bzw. es kann mehr Wärme oder höhere Temperatur entnommen werden. Eine angepasste Anlagenkonfiguration sollte mit sorgfältiger Planung ermittelt werden.

Dass der Kollektor so steil stehen muss, hängt mit der Luftführung im Betriebsmodus „Umgebungsluft“ zusammen. Es wird dabei von einem sehr sparsamen Gebläse die Aussenluft unten links in den Kollektor eingeblasen und unten rechts abgekühlt wieder entlassen. Dabei darf kein Schnee im Weg liegen. Was ich persönlich als einzigen Haken an der Sache sehe ist die schwierige EInbindung in die Architektur, wenn die Dachneigung flacher ist als die erforderlichen 40°, bzw. in schneereichen Gebieten 60°. Weder die Aufständerungen auf der Dachfläche, noch die bodenstehenden Gestelle überzeugen mich in der Optik. Sehr angenehm heben sich von diesen Verunstaltungen die Fassaden-integrierten Anlagen ab. Nicht einfach, so etwas am Altbau unterzubringen...

Zukunftsmusik

Was mir bei Consolar vorbildlich vorkommt: es werden in einer Konferenz mit den Gebietsvertretern, also nah an der Anwendungspraxis, jeweils Jahres-Entwicklungsziele erarbeitet. Dabei wurde besipielsweise die Herabsetzung der Mindestneigung von ursprünglich 60° auf nun in vielen Fällen 40° erreicht. Als Firma, die aus der Forschung kommt, ist Consolar ständig am entwickeln und hat den Blick nach vorne. Was zu wünschen wäre (na ja, ich bin kein Gebietsvertreter...):

Aufhebung der Restriktion bzgl. maximaler Vorlauftemperatur
Einbindung von Wärme aus der Abluft de Gebäudes (eine Kombination mit Wohnungslüftung)
Verwertung der Sommerüberschüsse, zum Beispiel durch Auskopplung der Wärme für externe Anwendung wie Schwimmbadbeheizung, Industrieprozesse...

Kaufen?

Ich habe bisher keine elektrischen Wärmepumpen empfohlen, wie oben begründet. Die Solaera eröffnet mit diesen Arbeitszahlen um 6 (600%) eine neue Ära. Die Anlage kann mit mindestens 5 Kollektoren oder aber grösser ausgelegt werden. Für die 85%ige Solarenergiedeckung sind etwa 7 Kollektoren erforderlich. Dafür sind inklusive Montagearbeiten ungefähr 42.000 Euro erforderlich. Im Vergleich zu gängigen Anlagen aus Erdgaskessel und Solarlanlage kann sich je nach angenommenen Energiepreissteigerungen Wirtschaftlichkeit nach etwa 15 Jahren einstellen.

Noch hatte ich keine Gelegenheit, den Einbau einer "Eisheizung" planerisch zu begleiten. Wer sich von der Idee angesprochen fühlt, mafg sich aber gerne für ein gemeinsames Projekt melden. Ich bin am Ärmel hochkrempeln...